Lebendige Lokalgeschichte(n)
Der Geschichtsausschuss im Heimatbund Oldenburger Münsterland hat seinen diesjährigen Akademieabend am 06.09. unter das Motto „Lebendige Lokalgeschichte(n) – Forschungsvorhaben Facharbeit“ gestellt. Anhand anregender Vorträge nahmen vier Referentinnen und Referenten ihr Publikum mit zu historisch spannenden Vor-Ort-Terminen mit der Lokalgeschichte der Region.
Facharbeiten, die sich regionalgeschichtlichen Themen widmen, sind weit mehr als nur wissenschaftspropädeutische Erstlingswerke. Diese Aufsätze nehmen nämlich auf zehn bis maximal 20 Seiten häufig singuläre Ereignisse, individuelle Schicksale oder lokale Gebäude und Entwicklungen in den Blick und gelangen dabei zu einer Detailschärfe, welche die universitäre Wissenschaft oft nicht zu leisten vermag. Viele dieser Arbeiten sind derart virtuos gelungen, dass es schade wäre, wenn sie ausschließlich der betreuenden Lehrkraft vorbehalten sein sollten, um danach im Schularchiv zu verstauben.
Den Anfang machte Jan Pross aus Cloppenburg. Er verglich die Anfangsjahre der Weimarer Republik mit dem Beginn der Zwischenkriegszeit im Oldenburger Münsterland, wobei, wie er selbst betonte, ein erweiterter Blick auf das gesamte Oldenburger Land nötig gewesen sei. In einer direkten Gegenüberstellung wurde deutlich, wie unterschiedlich die Revolutionäre im November 1918 in Bremen und im Großherzogtum vorgingen: Während die Gewalt in Bremen eskalierte, setzte man im Oldenburg auf Kooperation und versuchte, Blutvergießen zu vermeiden. Dieser eher ruhige Verlauf, so Pross, habe eine Mythenbildung rund um die Novemberrevolution im Oldenburger Land verhindert.
Angeregt durch Erzählungen ihres Großvaters beleuchtete Marie Horstmann aus Löningen in ihrem Vortrag die historische Instrumentalisierung des Sports zur Zeit des Nationalsozialismus in ihrer Heimatstadt. Anhand verschiedener Löninger Beispiele konnte sie aufzeigen, wie auch hiesige Sportvereine systematisch „zur öffentlichen Bedeutungslosigkeit“ degradiert wurden, etwa durch ihre Überführung in nationalsozialistische Organisationen oder durch die Einschränkung beliebter Sportarten wie Fußball oder Turnen zugunsten anderer Disziplinen, bei denen der Wettkampfgedanke stärker im Vordergrund stand.
Lena-Marie Stallmann und Kim Eilers aus Friesoythe rückten jeweils ein bekanntes Gebäude der Stadt in den Fokus, nämlich die Alte Wassermühle respektive den Friesoyther Lokschuppen und Wasserturm. Beide Referentinnen zeichneten zunächst die jeweilige ursprüngliche Funktion der Gebäude sowie deren Geschichte nach, bevor sie sich der heutigen Nutzung widmeten. Dabei kamen sie zu unterschiedlichen Bewertungen: Während Stallmann die Sanierung der früher gemeinhin als „Friesoyther Schandfleck“ bezeichneten Wassermühle und ihre spätere Umwandlung zu einem Veranstaltungsort mit eigenem Kino durchweg positiv beurteilte, sah Eilers die Verwendung des ehemaligen Lokschuppens als Jugendzentrum differenzierter. So böten die Präsenz des Kinder- und Jugendbüros sowie die zentrale Lage viele Vorteile, beispielsweise erschwere aber der aus einem großen Raum bestehende Grundriss eine breitere Fächerung des Angebots.
In einem Ausblick widmete sich abschließend der Vorsitzende des Geschichtsausschusses Prof. Dr. Michael Hirschfeld der Frage, wie der Transfer solch beachtlicher Facharbeiten in eine breitere Öffentlichkeit gelingen könnte. Denkbar sei beispielsweise eine digitale Publizierung auf der Website des Heimatbundes.
Fortgesetzt werden soll die Vorstellung von Facharbeiten auf dem Studientag des Heimatbund-Geschichtsausschusses am Samstag, dem 18. November 2023, der wieder in der Katholischen Akademie Stapelfeld stattfindet.