Referenten einig: „Wilde 20er“ eher von Trauer und Verlust geprägt

Die „wilden 20er“ wie in etwa in Berlin oder dem Ruhrgebiet hat es im Oldenburger Münsterland nicht gegeben. Aber der verlorene Erste Weltkrieg habe auch hier die Menschen tief geprägt. Dies war die übereinstimmende Erkenntnis der Vortragenden des Studientages, der am vergangenen Samstag fast 50 Interessierte in die Katholische Akademie Stapelfeld lockte. Die Weimarer Republik müsse stärker von ihrem Anfang, dem verlorenen Ersten Weltkrieg als großem Einschnitt und Einfluss, und nicht „nur“ als Auftakt der NS-Zeit betrachtet werden, stellte Dr. Michael Hirschfeld zu Beginn in den Raum. Der Historiker begrüßte mit Heimatbund-Präsident Stefan Schute die Anwesenden und die fünf Vortragenden. Schute erinnerte noch an die Gründung des Heimatbundes vor 100 Jahren.

In den überregionalen Zusammenhang ordnete Prof. Dr. Rainer Pöppinghege (Universität Paderborn) das Thema ein und berichtete über die an einen Bürgerkrieg erinnernde Lage im Westen Deutschlands. Dort herrschten Straßenkämpfe zwischen Anhängern der linken Räterepublik und rechten Soldatenverbänden, den Freikorps, sowie Streiks und Hungersnöte.

Von den "wilden Jahren" war im ländlich-katholischen Südoldenburg nichts zu spüren. In Essen (Oldenburg) erhielten die revolutionären Kräfte bei den ersten Wahlen 1919 keine einzige Stimme, wie Dr. Dirk Beyer herausstellte. Der Essener Gemeindechronist berichtete aber von anderen Problemen, denn trotz der im Vergleich zum Ruhrgebiet guten Ernährungslage herrschte Hilflosigkeit und Trauer. Wolfgang Friemerding stellte am Beispiel von Damme heraus, dass dort – wie vielerorts – das Gedenken an die Gefallenen eine große Rolle gespielt habe, etwa in der Frage der Gestaltung würdiger Kriegerdenkmäler.

Gedruckten Zeugnisse der Kriegserinnerung widmete sich der aus Damme stammende Historiker Dr. Christian Westerhoff in seinem Vortrag. Westerhoff, der die Bibliothek für Zeitgeschichte in Stuttgart leitet, stellte mit einem Erinnerungsbuch an die gefallenen katholischen Lehrer der Region sowie einer Geschichte des 91. Oldenburgischen Infanterieregiments, dem besonders viele Südoldenburger angehörten, in weiten Bevölkerungskreisen verbreitete Druckerzeugnisse vor. Lange nach 1919 sei der Erste Weltkrieg den Menschen im Kopf geblieben und in der „guten Stube" gegenwärtig gewesen.

Er wirkte sogar weit über den Zweiten Weltkrieg hinaus nach, wie Prof. Dr. Christine Aka erläuterte. Die Geschäftsführerin des neuen Kulturanthropologischen Instituts (KAI) in Cloppenburg berichtete aus ihrem Heimatdorf Hagstedt und die über Generationen spürbare Traumata der Kriegswunden. Sichtbar seien diese u.a. in der Errichtung von Gedenkkreuzen oder -kapellen oder dem Versuch, die Trauer durch Auswanderung nach Amerika zu überwinden.